FAKTENCHECK
"Reines Mineralwasser"
In verschiedenen Social-Media-Kanälen (TikTok, Instagram) sind in der jüngsten Vergangenheit vermehrt Beiträge erschienen, in denen „reines Wasser“ bzw. mineralstoffarme Wässer für die „Entgiftung des Körpers“ empfohlen werden und dabei vermeintlich wissenschaftliche Belege (Mikrosiemenswert, physiologische Aspekte etc.) angeführt werden. Diese Aussagen sind häufig werblich formuliert, erreichen ein breites Publikum und diskreditieren mineralstoffreiche natürliche Mineralwässer. Dieser Faktencheck beleuchtet die gängigsten Falschbehauptungen und pseudowissenschaftlichen Argumente und gibt die zutreffenden Antworten.

Behauptung: Der Mikrosiemenswert gibt die gelösten Bestandteile im Wasser an. Je geringer der Wert, desto besser ist das Wasser.
Die elektrische Leitfähigkeit von Wasser wird in Mikrosiemens (µS/cm) gemessen. Leitfähigkeitsmessungen geben keine Auskunft über die spezifische Stoffzusammensetzung und -konzentration in einem Wasser, sondern lediglich über die Gesamtmenge an gelösten Teilchen. Daher lässt sich aus hohen oder niedrigen Werten grundsätzlich keine ernährungsphysiologische Wirkung seriös ableiten. Es kommt auf den Gehalt spezifischer, für den Konsumenten bedeutsamer Inhaltsstoffe an.
Die Leitfähigkeit eines Wassers hängt von dem Vorhandensein gelöster und geladener Teilchen (Ionen) und der Temperatur ab. Je wärmer das Wasser ist, desto höher ist die Leitfähigkeit (mit einem Anstieg von etwa 1,9 % pro Grad Celsius). Die Leitfähigkeit wird daher bei einer Standardtemperatur von 25,0° C angegeben. Je mehr geladene Teilchen gelöst im Wasser vorliegen, umso höher ist der Mikrosiemenswert.
Mineralwasser hat aufgrund der häufig höheren Konzentration an Kationen (Natrium, Calcium, Magnesium, Kalium) und Anionen (Chlorid, Sulfat, Hydrogencarbonat) einen höhere Leitfähigkeit. Für Leitungswasser liegt der Grenzwert nach Trinkwasserverordnung bei 2.790 Mikrosiemens pro Zentimeter. Dieser definierte Wert wird für Trinkwasser aus technischen Gründen festgesetzt. Es soll nicht korrosiv wirken. [1] Für Mineralwasser sieht die Mineral- und Tafelwasserverordnung kein Grenzwert vor, sondern gibt Texte für die Auslobung des Gehalts an Mineralstoffen insgesamt sowie zu einzelnen wertgebenden Mineralstoffen vor
[1] Vgl. §8 TrinkwV, Anlage 3 Indikatorparameter
Behauptung: Ein geringer Mikrosiemenswert bedeutet weniger Schadstoffe
Ein niedriger Mikrosiemenswert gibt lediglich an, dass in Wasser weniger geladene Teilchen vorhanden sind. Der Wert gibt keine Auskunft darüber, um welche spezifischen Stoffe es sich handelt. Valide Aussagen zum Vorhandensein bestimmter Stoffe und deren Konzentration können nur entsprechende chemische Analysen erbringen. Mineralwasser wird im Rahmen der Qualitätskontrolle engmaschig überprüft und darf nur in Verkehr gebracht werden, wenn alle Grenz- und Orientierungswerte sicher eingehalten werden. Das Naturprodukt stammt aus Verunreinigung geschützten Wasservorkommen und muss ursprünglich rein sein.

Behauptung: Nur ein Wasser mit wenig Mineralstoffen „entgiftet“ den Körper.
Ein gesunder menschlicher Körper kann und muss sich selbst „reinigen", indem er unerwünschte Stoffe über Leber, Nieren, Darm, Haut und die Atmung ausscheidet. Bei einem gesunden Menschen werden mit dem Urin alle zu eliminierenden wasserlöslichen Substanzen im Körper wie Stoffwechselendprodukte oder Arzneimittelabbauprodukte ausgeschieden. Dies geschieht über die Nieren, unabhängig davon, wie viel Wasser zugeführt wird und wie viele Mineralstoffe im Wasser enthalten sind. Medizinisch gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass „besonders reines Wasser“ eine „Entgiftung“ besser fördern würde. Die grundsätzliche Empfehlung ist, ausreichend zu trinken, um den Wasserhaushalt im Gleichgewicht zu halten.
Für die Wirkung sogenannter Entgiftungs- oder Detox-Diäten fehlen bisher jegliche wissenschaftliche Nachweise. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist eine weitere Reinigung des Körpers von Schadstoffen aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich nicht nötig, da der menschliche Körper von Natur aus Giftstoffe über die Ausscheidung mit dem Urin eliminiert . Zudem gibt es keine Aussage dazu, um welche Gifte oder Schadstoffe es sich bei den sog. Entgiftungskuren handelt, und auch nicht darüber, wie diese dann abgebaut werden sollen. [2]
[2] https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/diaeten-und-fasten/entgiftungsdiaeten/
Behauptung: „Reines Wasser“ mit sehr geringen Mineralstoffgehalten ist gesünder
Sehr niedrig mineralisiertes Wasser, häufig gerne auch als „besonders reines Wasser“ bezeichnet, ist unter ernährungsphysiologischen Aspekten nicht gesünder als Mineral- oder Leitungswasser mit höheren Gehalten an Mineralstoffen. In breiten Teilen der Bevölkerung muss sogar auf eine ausreichende Mineralstoffzufuhr (vor allem in Hinblick auf Calcium und Magnesium) besonders geachtet werden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt in seiner Stellungnahme, dass Personen mit sehr einseitiger/unausgewogener Ernährung sowie Personen, die bewusst auf bestimmte Lebensmittel verzichten (z. B. auf Milch und Milchprodukte aufgrund von Laktoseintoleranz oder veganer Ernährung) ebenso wie schwangere und stillende Frauen, bei Verwendung von sehr niedrig-mineralisiertem Wässern als wesentliche Flüssigkeitsquelle auf ihre tägliche Gesamtzufuhr an bestimmten essenziellen Mineralstoffen, insbesondere Calcium und Magnesium, achten sollten. [3]

Behauptung: Wasser mit höherem Mineralstoffgehalt ist schlecht für den Körper, da es im vom Körper nicht als Transportmedium fungieren kann.
Mineralwasser ist zur Deckung des täglichen Flüssigkeitsbedarfs und im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung ein ideales Getränk. Mineralwasser zeichnet sich im Vergleich zu anderen Lebensmitteln im Hinblick auf wichtige Mineralstoffe durch eine hohe Bio-Verfügbarkeit aus. Die Inhaltsstoffe können daher sehr gut vom Körper verwertet werden. So können Calcium und Magnesium aus Mineralwasser in gleichem Maße aufgenommen werden wie aus Milch bzw. Vollkornbrot und aus einem Nährstoffsupplement.[4] Die Inhaltsstoffe von Mineralwasser, wie Calcium, Magnesium, Natrium, Chlorid oder Sulfat werden passiv oder aktiv über Konzentrationsgradienten, Transporter oder Kanäle aus dem Dünndarm aufgenommen und vom Körper verarbeitet. Eine Überdosierung von Mineralstoffen über natürliches Mineralwasser kann praktisch nicht erfolgen.